Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft
Barbarossa. Die Kunst der Herrschaft Am Mittwoch, 30. November, kurz vor 11 Uhr: An diesem Morgen versammeln sich beinahe 50 Civilistinnen und Civilisten im LWL Landesmuseum für Kunst und Kultur zum Besuch der Sonderausstellung „Barbarossa, die Kunst der Herrschaft“, die anlässlich des 900. Geburtstages des berühmten Stauferkaisers Friedrich I. Barbarossa (1122 – 1190) gezeigt wird. Als schwäbischer Herzogssohn, seit 1152 als König und seit 1155 als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, spielte Barbarossa eine führende Rolle im politischen Gefüge Europas im 12. Jahrhundert.
Die Ausstellung in Münster spart die Barbarossa-Rezeption ab dem 19. Jahrhundert aus. Daher werden sowohl der Kyffhäuser-Mythos als auch die Namensgebung „Unternehmen Barbarossa“ im Zweiten Weltkrieg nicht behandelt. Anstelle der an Corona erkrankten Kuratorin Petra Marx werden wir als erste der drei CC-Gruppen von Nicola Seliger vom LWL-Museum begrüßt und durch die nach Themen geordneten Räume der Ausstellung geführt. Nach dem Betreten des ersten Saales treffen wir auf den Goslarer Kaiserstuhl von 1060/80 des Saliers Heinrich IV., auf dem auch der Staufer Friedrich I. mehrfach Platz genommen haben soll. Im Hintergrund die großformatige Abbildung des Thronbildes aus der Weingartner Welfenchronik von 1185/91: In der Mitte Kaiser Friedrich I. mit Reichsapfel und Zepter, umgeben von seinen beiden Söhnen, die mit der Haltung ihrer Zeigefinger einen Anspruch auf politische Mitsprache verdeutlichen.
Der erst im 13. Jahrhundert auftauchende Beiname Barbarossa geht auf die vom Freisinger Domkanoniker Rahewin in den Gesta Friderici I imperatoris beschriebene rötlichblonde Haarfarbe des Herrschers zurück; denn die Kunst des Mittelalters kannte bekanntlich keine individuellen Porträts. „Sein Haar ist blond und oben an der Stirn etwas gekräuselt, die Ohren werden kaum durch darüber fallende Haare verdeckt, da der Barbier aus Rücksicht auf die Ehre des Reiches das Haupthaar und den Backenbart durch dauerndes Nachschneiden kürzt. Seine Augen sind scharf und durchdringend, die Nase ist schön, der Bart rötlich, die Lippen sind schmal und nicht durch breite Mundwinkel erweitert und das ganze Antlitz ist fröhlich und heiter“.
Ein bemerkenswertes Ausstellungsstück ist die Albe Friedrichs I., ein fußlanges, in der Taille gegürteltes Gewand, das der römischen Tunika nachgebildet ist. Die in althochdeutsch zwischen 1230 und 1270 verfasste sächsische Weltchronik bebildert den Abschnitt zur Regierungszeit Barbarossas am Ende mit einer Miniatur, die den noch schwimmenden oder bereits ertrunkenen Kaiser („dar wolde de keiser swemmen over en wate runde irdrank“) im Fluss Saleph zeigt, den er 1190 auf seinem letzten Kreuzzug überqueren wollte. Die Darstellung des Kaisers in nackt beschäftigte die Zeitgenossen: Hatte er trotz des plötzlichen Todes noch die Sterbesakramente erhalten, zumal Nacktheit und Blöße in der mittelalterlichen Kunst die Sündhaftigkeit des Fleisches verdeutlichen sollte? Ein Armreliquiar für Karl den Großen (1165/73) zeigt den Anspruch Barbarossas, dem Gründervater Europas machtvoll zu folgen und als schwäbischer Herzogssohn seit 1155 als römisch-deutscher Kaiser die Geschicke Mitteleuropas zu lenken. Der zweite Saal ist dem Thema „Netzwerke der Macht“ gewidmet. Hildegard von Bingen (1098-1179), mit der Friedrich I. einen ständigen Briefwechsel unterhielt, gehörte zum geistlichen Netzwerk. Die Äbtissin ermahnte ihn, sich mit dem Zepter der Barmherzigkeit gegen die schlechten Sitten zu stellen und übte zuweilen auch harsche Kritik.
Friedrich I., der selbst nicht lesen und schreiben konnte, reagierte mit einem durch Schrägstrich unterzeichneten Schutzprivileg vom 18. April 1163. Er gewährte den Nonnen des Benediktinerinnenklosters Rupertsberg wirtschaftliche Unabhängigkeit, die Befreiung von Abgaben an das Reich sowie das Recht, die Klostervorsteherin selbst zu wählen. Ein enger Vertrauter des Kaisers war der Kölner Erzbischof und Erzkanzler Rainald von Dassel (um 1114/20-1167), der ihn auch zum Rachefeldzug gegen Mailand aufgefordert hatte. Die als Kriegsbeute nach Köln verbrachten Reliquien der Heiligen Drei Könige werden im Dreikönigsschrein des Kölner Doms aufbewahrt. In der Ausstellung wird ein Reliquienschrein in Form einer Basilika gezeigt, der in der äußeren Gestaltung dem Kölner Schrein ähnelt. Die Vettern Barbarossa und Heinrich der Löwe hatten sich lange Zeit unterstützt. Zum endgültigen Bruch kam es 1180, als Heinrich dem Löwen das Herzogtum Sachsen entzogen und die Herzogswürde für dessen westfälischen Teil dem Erzbischof von Köln übertragen wurde. Dies war auch die Geburt Westfalens. Die Ausstellung zeigt das Kopfreliquiar des heiligen Oswald (1185/89), welches Heinrich und seine Ehefrau Mathilde der Kathedralkirche von Hildesheim geschenkt haben sollen. Der dritte Saal („Raum ohne Kunst“) ist mit einem riesigen Schachbrett und mit lebensgroßen Comic-Schlüsselfiguren jener Zeit ausgestattet. Kunstfertig geschnitzte Ausfertigungen des Spiels aus dem Mittelalter sind dort ausgestellt. Das Schachspiel kam aus dem Orient. In Europa wurde es zunächst auch als Strategie-Schulung von Königen, Prinzen, Fürsten und deren Rittern benutzt.
Die Skulptur „Kreuzfahrer Paar“ (Saal 4) aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zeigt ein eng umschlungenes Ehepaar, das, so die Deutung, vor dem Aufbruch zum zweiten Kreuzzug, an dem auch Friedrich I., teilnahm, innig voneinander Abschied nimmt. Der sog. in Bronze gegossene und vergoldete Cappenberger Kopf (Saal 5) ist ein attraktives Ausstellungsstück. Es galt lange Zeit als Porträtbildnis Barbarossas, zumal es auch der Beschreibung Rahewins entsprach. Noch bei der Stauferausstellung von 1977 in Stuttgart schmückte der Kopf die Cover sämtlicher fünf Teilbände des Katalogs. Dass er als Reliquiar des heiligen Johannes der Evangelist diente, erklärte man sich seit dem späten 19. Jahrhundert mit einer angeblichen Umarbeitung und Vergoldung einer Silberbüste „nach dem Antlitz eines Kaisers“ (ad Imperatoris formatum effigiem), einem Hinweis, der in Aufzeichnungen des Grafen Otto von Cappenberg, Taufpate Barbarossas, auftaucht. Mittlerweile ist gesichert, dass die Büste mit ihrem Untersatz aus Löwenfüßen und knieenden Engeln von Anfang an ein Reliquienbehältnis war und dass das Reliquiar im Gegensatz zu der ebenfalls ausgestellten Taufschale Kaiser Friedrich I. nicht aus Silber besteht.
Auch dank der guten und auf Dialog bedachten Führung von Frau Seliger erlebten wir eine imposante Ausstellung. Sie enthält bemerkenswerte Textquellen und kostbare Kunstwerke, die die auch widersprüchliche Persönlichkeit Barbarossas beleuchten: Ein gläubiger und durch Kunststiftungen auf sein Seelenheil bedachter Christ, aber auch ein streitbarer Kämpfer. Text und Fotos: Eckard Andersson