Bildsprachen
Bildsprachen Bericht über den Besuch der Ausstellung „Marc Chagall – Bildsprachen“
Mit der Ausstellung „Marc Chagall – BILDSPRACHEN“ feiert das Kunstmuseum Pablo Picasso seinen 25. Geburtstag und beschenkt mit dieser großartigen Präsentation zugleich die Besucherinnen und Besucher. Fast 40 Mitglieder des Civilclubs wurden in zwei Gruppen von Inge Milkowski und Dr. Annette Georgi sehr fachkundig durch die Ausstellung geführt.
In dieser Ausstellung mit über 120 Gemälden, Zeichnungen und Grafiken beleuchtet das Museum, wie der in Witebsk im heutigen Belarus geborene Chagall bildende Kunst und Literatur in seinem Schaffen vereinte. Der amerikanische Schriftsteller Henry Miller hat Chagall einen „Dichter mit den Flügeln eines Malers“ genannt. Um Marc Chagall und seine Werke zu verstehen, ist seine Biographie unverzichtbar. Chagall verwendet in seinen Werken eine eigene Bildsprache. Wiederkehrende Elemente sind zum Beispiel schwebende Figuren, Geiger, Tiere wie Hahn, Fisch, Ziegenbock und Kuh. Durch ihre Darstellung nimmt er Bezug auf seine eigene Lebensgeschichte. Er bringt seine Heimat, das familiäre Umfeld, die Erinnerung an seine Kindheit und Jugend im jüdischen Viertel in Witebsk und jiddische Literatur in sein Werk ein: Seine Heimat ist ihm eine Herzensangelegenheit.
Durch seine Beschäftigung mit Literatur in seiner jiddischen Muttersprache übertrug Chagall die von dieser Sprache hervorgerufenen Bilder in seine Kunst. Der mit ihm befreundete Schriftsteller Leo Koenig hat dazu gesagt: „Chagall sieht mithilfe der oder durch die jiddische Sprache.“ Die Bezeichnung, bettelnd von Haus zu Haus zu gehen, lautet im Jiddischen „Über die Häuser gehen“. Dieses sprachliche Bild findet sich in vielen Werken mit schwebenden Figuren, zum Beispiel im „Hahn-Mann über Witebsk“, das eine Erinnerung an seine Heimatstadt und winterliche Landschaften seiner Kindheit ist. Mit Anfang 30 schrieb er in Jiddisch seine Autobiografie „Ma vie“, der in der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet ist. Seine leichten, humorvollen Zeichnungen halten seine Erinnerungen an seine Heimat fest. Der Sinngehalt einiger Grafiken wird erst durch den Text deutlich, zum Beispiel die Feuersbrunst bei Witebsk zum Zeitpunkt der Geburt Chagalls.
Das Kunstmuseum Pablo Picasso zeigt in seiner Präsentation auch Kunstwerke, die vorher noch nie öffentlich zu sehen waren. Sie stammen u.a. aus der Schenkung von Meret Meyer, einer Enkelin Chagalls, die dem Museum aus Anlass seines 25-jährigen Bestehens 118 Lithografien und zehn Malerbücher ihres Großvaters als Schenkung übergeben hat. Teile dieser Schenkung konnten noch in die Ausstellung integriert werden, die einen Planungsvorlauf von drei Jahren hat.
Dazu gehören auch zehn Blätter aus dem Malerbuch „Cirque“, die in einem der Räume gezeigt werden. Der Zirkus ist eines der Themen, die Marc Chagall künstlerisch erkundet hat. Es hat biografische Bedeutung, da er schon in der Heimat Akrobaten auf der Straße gesehen hat. Die Blätter haben eine starke Farbigkeit und wirken druckfrisch. Sie sind es auch. Nachdem der Verleger das Malerbuch Chagall in einer Kassette übergeben hatte, wurde diese 60 Jahre lang nicht geöffnet. Und so kann das Museum nun diese druckfrischen, farbenfrohen Blätter aus „Cirque“ präsentieren.
Marc Chagall gilt in der Kunst der Moderne als unerreichter Farbkünstler. Pablo Picasso formulierte seine Bewunderung für den Koloristen Chagall in der ihm eigenen Art und Weise: „Ich mag zwar nicht seine fliegenden Bauern und Kühe, aber als Farbkünstler ist er einzigartig.“ Die hochwertige, feine Chagall-Ausstellung in Münster ist den guten Kontakten von Museumsdirektor Professor Markus Müller zur Familie Chagall zu verdanken. So sind in der Ausstellung Leihgaben aus Privatsammlungen zu sehen, die sonst private Wohnzimmer in Frankreich zieren – wie das großformatige, 2,5 m hohe Bild „Die Welt in Rot und Schwarz oder Rote Sonne“ oder „Paris zwischen zwei Ufern oder Jardin du Luxembourg“. TEXT: MICHAELA HEUER