Die Magische Welt

Das war schon eine beeindruckende Resonanz. Über 30 Mitglieder des Civilclubs hatten sich bei sommerlichen Temperaturen eingefunden, um sich von Dr. Bernd Thier „Die Magische Welt des Herrn Alexander“ im Stadtmuseum näherbringen zu lassen. Mit der Ausstellung erinnert das Stadtmuseum an den in Münster geborenen und verstorbenen weltberühmten Zauberer Johann Friedrich Alexander Heimbürger (1819–1909), den berühmtesten Zauberkünstler des 19. Jahrhunderts, den „David Copperfield“ aus Münster, den heute keiner mehr kennt, so Bernd Thier.

Schon 2009 hatte das Stadtmuseum Heimbürger eine kleine Präsentation gewidmet. Doch die aktuelle, umfangreichere Ausstellung kann auf wichtige Quellen zu- rückgreifen, die vor 14 Jahren noch nicht zur Verfügung standen, wie uns Dr. Thier eingangs erläuterte: 2019 erschien eine Biographie über Heimbürger von Peter Mika, der Alexander Heimbürger wiederentdeckt hat. Der Zauberkünstler Peter Mika war es auch, der 2003 Heimbürgers Grab auf dem Zentralfriedhof vor dem Verfall bewahrte. 2020 begann die Edition der zuvor unzugänglichen handschriftlichen Tagebücher von Alexander Heimbürger, der über 35 Jahre Tagebuch geführt hatte (ca. 700 bis 800 Seiten). Und 2022 wurden Teile des Nachlasses von Heimbürger in Austin (USA) entdeckt, die aus dem Besitz des Zauberers und Ent- fesselungskünstlers Harry Houdini stammen, mit dem sich Heimbürger in seinen letzten Lebensjahren angefreundet hatte. Ein Foto von einem Besuch Houdinis bei Heimbürger sowie ihr Schriftwechsel zeigen das in der Ausstellung. Zum Nachlass gehörte auch ein Buch mit unzähligen eingeklebten Zeitungsausschnitten aus seiner Zeit in Amerika zwischen 1843 und 1852. So sind spannende Dinge erst in den letzten Jahren aufgetaucht, so Thier.

Diese aktuellen Quellen haben es Ausstelllungsmacher Dr. Bernd Thier und seinem Team ermöglicht, uns einen erweiterten Blick auf Alexander Heimbürger zu geben. Die Ausstellung erinnert zunächst an die Anfänge der Zauberkunst (es geht nicht um Magie, wie Bernd Thier deutlich machte). Die Zauberkunst hat im 19. Jahrhundert als Budenzauber auf Jahrmärkten angefangen. Alexander Heimbürger hat in Münster als 16-jähriger den Vorführungen des Wiener Zauberkünstlers Ludwig Döbler im Schauspielhaus (an der Ecke Roggenmarkt/ Bogenstraße) zugeschaut und war so beeindruckt, dass er beschloss, das Zauberhandwerk zu erlernen. Im Januar 1839 lernte er den dort gastierenden „Professor der Magie“ Ferdinand Friedrich Becker kennen, den er als eingeweihter Zuschauer unterstützte.

Heimbürger folgte Becker und unterstützte ihn seit Juni 1839 bei zahlreichen seiner Auftritte in Norddeutschland. In Hamburg verschafften Heimbürger Salon-Auftritte im Haus des wohlhabenden und einflussreichen Kaufmanns und Bankiers Salomon Heine, dem Onkel des Dichters Heinrich Heine, zahlreiche weitere Auftritte und damit Einnahmen. Bei seinen Auftritten präsentierte er u.a. den Fang einer abgeschossenen Pistolenkugel und entzündete mit einem Pistolenschuss 200 Kerzen. Den Effekt hatte er von Ludwig Döbler übernommen, dessen penibel aufgehobenen Quittungen über Materialeinkäufe auch ahnen lassen, wie dieser Effekt von Heimbürger erzielt wurde. Und der im Stadtmuseum Münster im Jahr 2023 mit Hilfe moderner Technik leicht zu bewerkstelligen ist. Mit dem bei seinen Salon-Auftritten in Hamburg verdienten Geld hat Heimbürger sich Equipment, vor allem Technik, gekauft und sich sehr viel fortgebildet. Nach einer mehrmonatigen erfolgreichen Gastspielreise durch Norddeutschland mit der Kutsche startete Alexander Heimbürger im Alter von 24 Jahren am 20. No- vember 1843 gemeinsam mit seinem 14-jährigen Bruder August von Bremerhaven aus mit dem Segelschiff nach Nordamerika.

Schon zwei Wochen nach der Ankunft am 3. Februar 1844 hatte Herr Alexander dort seinen ersten Auftritt – als Chinese verkleidet. Das half ihm, seine fehlenden Sprachkenntnisse zu überspielen und einen Trick aufzuführen – unter dem Gewand konnte er gut die plötzlich auf der Bühne stehende Schale mit Goldfischen verbergen. Heimbürger beherrschte zahlreiche Tricks, was ihm die Möglichkeit eröffnete, jeden Abend ein anderes Programm zu zeigen, sodass Zuschauer oft mehrfach in seine Vorführungen kamen. Wie die Tricks funktionieren, das Wissen ist den Mitgliedern des Magischen Zirkels vorbehalten. Bei seinen zahlreichen Auftritten in Nord- und Südamerika wurde Herr Alexander reich und berühmt. Er trat im Weißen Haus auf und mehrfach vor dem brasilianischen Kaiser Pedro II. Seinen letzten Auftritt als professioneller Zauberer hatte „Herr Alexander“ am 19. August 1852 in Brasilien. Wenige Tage später trat er die Rückreise in die Heimat an, da zahlreiche Infektionskrankheiten seinem Körper sehr zugesetzt haben. Kaiser Pedro II. war von Heimbürgers Illusionskunst so begeistert, dass er am 17. August 1876 auf seiner Deutschlandreise in Münster einen Zwischenstopp ein- legte, um Heimbürger am münsterischen Bahnhof zu treffen. Alexander Heimbürger war in Amerika so bekannt, dass er 1851 in Moby Dick von Herman Melville erwähnt wird, der ihn 1846 bei einem Auftritt in Boston gesehen hat. „Can Herr Alexander perform a feat like that?“ heißt es dort. In der deutschen Übersetzung fehlt dieser Satz, weil „Herrn Alexander“ in Deutschland keiner kannte.

Mit seinen Auftritten in Nord- und Südamerika verdiente Alexander Heimbürger so viel Geld, dass er sich schon mit 33 Jahren in seiner Heimatstadt Münster zur Ruhe setzen konnte. Er nahm am gesellschaftlichen Leben teil und wurde 1854 als „Rentner Alexander Heimbürger“ – so steht es im Mitgliederverzeichnis des Civilclubs zur Stiftungsfeier am 2. Februar 1875 – Mitglied des Civil- clubs. Bei den von Heimbürger für den Civilclub orga- nisierten Feierlichkeiten traten seine Kinder bei der In- szenierung „Lebende Bilder“ auf, der Darstellung von bekannten Gemälden oder Skulpturen durch lebende Personen. Vielleicht auch eine Anregung für unser Jubiläumsfest am 2. Februar 2025. Alexander Heimbürger war seiner Heimatstadt auch kulturell verbunden.

Der erste Eintrag im Gästebuch von Haus Rüschhaus im Januar 1890 stammt von Alexander Heimbürger. Auch in seinem Ruhestand in Münster beschäftigte sich Heimbürger mit mechanischen Apparaten und chemischen Experimenten. So entwickelte er 1878 ein Gesund- heitspulver bzw. Diät-Salz und gründete im Jahr 1879 die Firma H. Bürger, die dieses Salz herstellte und vertrieb. Auch wenn H. Bürgers Gesundheitspulver (später Digestivsalz) bis in die 1960er-Jahre hergestellt wurde, hat das Stadtmuseum leider kein Exponat hiervon. Daher sei auch an diese Stelle die Bitte von Herrn Dr. Thier wiederholt, dass das Stadtmuseum sich sehr freuen würde, wenn sich noch irgendwo ein Packung dieses Salzes finden würde.

Die große Runde der Civilistinnen und Civilisten ist Herrn Dr. Thier sehr dankbar für diese interessante, spannende Ausstellung und seine informationsreichen, kurzweiligen Ausführungen einschließlich der Vorführung des Becherspiels. Zusammen mit dem gemütlichen Ausklang bei „Feldmann“ durften wir „zauberhafte Stunden“ erleben. TEXT: MICHAELA HEUER