Faszination Wissenschaft
Einen besseren Auftakt für die diesjährigen Museums- besuche des Civilclubs hätte es nicht geben können: Museumsdirektorin Dr. Barbara Rommé begeisterte unsere Gruppe mit 20 Teilnehmenden mit ihrer Führung durch die Ausstellung „Faszination Wissenschaft. Herlin- de Koelbl“ im Stadtmuseum Münster. Diese Ausstellung zeigt das Stadtmuseum Münster in Kooperation mit der Friedrich-Hundt-Gesellschaft e.V. Herlinde Koelbl ist eine der renommiertesten deutschen Fotokünstlerinnen.
Typisch für sie sind Langzeitstudien, zum Beispiel das Projekt „Spuren der Macht“ oder „Angela Merkel Portraits 1991—2021“. Ihr Projekt „Faszination Wissenschaft“ hat sie seit 2015 verfolgt. Für das Projekt hat Herlinde Koelbl 60 wegweisende Forscherinnen und Forscher unserer Zeit porträtiert, da- runter Nobelpreisträger. Sie bat jeden der Porträtierten, die Formel oder Essenz ihrer Arbeit auf die Handinnenfläche zu schreiben und diese in der Nähe des Kopfes zu platzieren. Zudem führte sie Interviews, in denen die Wissenschaftler Einblicke in ihr Leben und ihre For- schung geben. Barbara Rommé konzentrierte sich bei ihrer Führung darauf, den Blick auf einzelne Porträts und ihre Details zu lenken und lud so auch die Betrachtenden ein, sich mit den Fotos auseinanderzusetzen. Wie hätten sie ihre Hand gehalten? Wie hätten sie die Essenz ihrer Arbeit auf der Handfläche zusammengefasst? Vor welchem Hintergrund hätten sie sich fotografieren lassen? Schnell war auch der Blick dafür geschärft, welche Porträtierten Rechts- oder Linkshänder sind. Wie schafft man ikonische Bilder von Wissenschaftlern — wissend, dass Gelehrtenporträts eine lange Tradition haben und bis nach Italien im 14. Jahrhundert zurück- gehen? Barbara Rommé gab die Antwort, dass Herlin- de Koelbl eine Atmosphäre zu schaffen versteht, die die Porträtieren entspannt, zugänglich, freundlich, nahbar, auch schelmisch, aber ausnahmslos nicht weltfremd, abgehoben oder distanziert zeigt. Sie schaffe eine menschliche, inhaltliche und künstlerische Verbindung, sodass spannende Bilder als Ergebnis eines Prozesses entste- hen würden. Interessant ist, wie unterschiedlich die Porträtieren ihre Handfläche zum Gesicht halten.
Die Immunologin Faith Osier hält zum Beispiel ihre Hand mit der Botschaft „Make Malaria History“ so vor ihr Gesicht, das es nahezu verdeckt ist, um damit deutlich zu machen, dass sie sich zugunsten ihrer Mission ganz zurücknimmt. Auch in den persönlichen Gesprächen mit den Porträ- tieren zeigen diese eine bemerkenswerte Offenheit. Wunderbar nachzulesen auch in dem u. a. im Stadt- museum erhältlichen Ausstellungskatalog „Faszination Wissenschaft“, den Harald Lesch zutreffend so be- schreibt: „Gesichter der Wissenschaft und Geschichten, wie man Wissen schafft. Alles in einer Hand.“ Barbara Rommé stellte ausgewählte Beispiele aus den Interviews vor.
So David Avnir, emeritierter Professor an der Hebräi- schen Universität Jerusalem, der auf die Frage, warum er ein wissenschaftliches Fach studiert habe, antwortet, dass er als Dreijähriger im Wissen um die Bedeutung des familieneigenen Huhns für das Wohlergehen der Familie eine Feder nahm, sie in die Erde einpflanzte und goss, damit daraus ein neues Huhn wächst. „Das war mein erstes wissenschaftliches Experiment, das natürlich schiefging, was eine sehr wichtige Lektion für mich war.“ Wie hat diese Ausstellung, die zuvor in schon in der Leopoldina (Halle an der Saale), in Berlin (Akademiegebäu- de am Gendarmenmarkt), Tokio und in der John Hop- kins University (Baltimore/USA) zu sehen war, ihren Weg in das Stadtmuseum Münster gefunden? Die Basis war der persönliche Kontakt zu Herlinde Koelbl, den Barbara Rommé seit einer Ausstellung im Stadtmuseum im Jahr 2015 („Literatur im Fokus. Drei fotografische Positionen: Barbara Klemm, Herlinde Koelbl, Isolde Ohlbaum“) mit der Künstlerin pflegt. Und dann war die Wissenschafts- stadt Münster als Standort mit neun Hochschulen ein weiteres entscheidendes Argument. Herzlichen Dank an Dr. Barbara Rommé für diese ausgezeichnete Führung! MICHAELA HEUER