"Staubwedeln oder nicht?"

Staubwedeln oder nicht? Aktuelle Herausforderungen der Kunstpflege in den Gemeinden des Bistums Müns- ter“ war das Thema beim Clubabend mit Dr. Thomas Fusenig, Leiter der Gruppe Kunstpflege des Bischöflichen Generalvikariats Münster. Und es war sehr spannend, welche Herausforderungen der Kunstpflege uns der Kunsthistoriker vorstellte.

Thomas Fusenig sieht die künstlerische Ausgestaltung von Kirchenräumen als Teil der Liturgie und des lebendigen Glaubens. Dabei erfordert der Umgang mit den zum Teil empfindlichen Kunstwerken einige konservatorische Kenntnisse. Die Gruppe Kunstpflege steht den Gemeinden vom Niederrhein bis Westfalen für alle Fragen zu diesem Bereich zur Seite. In der Gesamtschau kann man alle Kirchen im nordrhein-westfälischen Teil des Bistums Münster als ein großartiges Museum für christliches Kulturgut mit zahllosen Niederlassungen ansehen.

Einleitend stellte Thomas Fusenig den Rahmen der Tätigkeiten vor. Die Gruppe Kunstpflege ist Dienstleister für die Gemeinden im Auftrag des Bischofs. Sie kümmert sich um Kunst und Objekte mit kultureller Bedeutung im Eigentum der Gemeinden. Rechtliche Grundlagen sind das Denkmalschutzgesetz NRW und innerkirchliche Regieanweisungen für die Kunstpflege. Dr. Fusenig betonte, dass Anliegen der Gruppe Kunstpflege – unabhängig von ihren formalen Rechten – eine spezialisierte Serviceleistung sei. Es gehe um eine gute Beratung der Gemeinden, das Richtige zu tun. Zum Beispiel um die Auswahl des richtigen Restaurators oder den „Rat“, ein bedeutendes Kunstwerk keinesfalls zu verkaufen.

Zum „Zuständigkeitsbereich“ der Gruppe Kunstpflege gehören Kirchenschätze wie das Borghorster Stiftskreuz oder der Cappenberger Kopf. Bei allem kollegialen Respekt war das Fragezeichen des Referenten zu hören, dass das LWL-Museum für Kunst und Kultur den Cappenberger Kopf, der nach den aktuellen Forschungsergebnissen ein dem Evangelisten Johannes gewidmetes Kopf-Reliquiar und nicht – wie lange angenommen – ein Porträtbild von Barbarossa ist, gleichwohl durch das Plakat der Barbarossa-Ausstellung wieder in die Nähe zu Barbarossa gerückt habe. Ein großer Teil der Exponate der Mittelaltersammlung des „Landesmuseums“ befindet sich im Eigentum des Bistums Münster, wird aber aufgrund einer Initiative des ehemaligen Bischofs Michael Keller vom „Landesmuseum“ verwahrt und gepflegt. Augenzwinkernd merkte der Referent an, dass er gern und entspannt die Mittel- altersammlung besuche, weil die herrlichen Exponate nicht durch die Gruppe Kunstpflege zu betreuen seien.

Zum Service der Gruppe Kunstpflege für die Gemeinden des Bistums gehören vor allem Beraten, Betreuen, Bewahren. Bei der allgemeinen Beratung seien die Küster, Kirchenvorstände und Pfarrer wichtige Ansprechpartner. So sei das Klima in den Kirchen und damit das Lüftungs- und Lichtmanagement ein wichtiges Thema. Der Zustand der Orgel sei übrigens ein wichtiger Indikator für das Raumklima.Auch die Betreuung von Konservierung und Restaurierung sowie die Sicherheit von Kunstgegenständen und Ratschläge zur Vermeidung von Vandalismus und Diebstahl gehören zum Service der Gruppe Kunstpflege. Die Beratung der Gemeinden zur präventiven Konservierung sei eminent wichtig, damit Schäden nicht erst entstehen.

Ein großes Feld sei zudem das Bewahren. Insgesamt habe das Bistum fünf Depots zur Einlagerung von Kunstgütern, u.a. aus profanierten Kirchen. Bei Profanierungen werden in jedem Fall das Tabernakel und andere Gegenstände mit engem liturgischen Bezug entnommen. Die Gruppe Kunstpflege vermittelt in vielen Fällen erfolgreich Kunstgegenstände aus den Depots wieder zum Einsatz in anderen Gemeinden. Die Inventarisierung, eine gute fotografische Dokumentation und kunsthistorische Einordnung, sei eine wichtige und stetige Aufgabe, um die Gemeinden besser beraten und betreuen zu können und die Kunstwerke zu bewahren.

70.000 Karteikarten aus den letzten Jahrzehnten gebe es schon. 150.000 Kunstwerke insgesamt dürften mit Hilfe der Digitalisierung erfasst werden. Zu diesem Zweck haben das Bistum Münster und die Universität Münster im März eine Vereinbarung zur Förderung des Forschungsprojekts zur Digitalisierung Christlichen Kulturerbes im Bistum Münster unterzeichnet. Das Projekt läuft bis zum Jahr 2029. Als Herausforderungen für die Zukunft benannte Dr. Thomas Fusenig resümierend die präventive Konservierung,die Digitalisierung und – ein aktuelles Zitat von Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp aufgreifend – die Vermittlung christlichen Kulturguts an eine „umstandslos areligiöse“ Gesellschaft. Die Gruppe Kunstpflege, die aus fünf Mitarbeitenden besteht, hat eine große Fläche zu betreuen – vom Niederrhein bis Westfalen. Das führt dazu, dass die Mitarbeitenden der Gruppe in der Regel auf Bitten von Kirchengemeinden tätig werden und – auch zum Bedauern von Dr. Fusenig – weniger von sich aus auf Gemeinden zugehen können. Jedoch kombinieren die Mitarbeitenden grundsätzlich jeden Besuch „auf Anforderung“ mit dem proaktiven Besuch einer auf dem Weg liegenden Gemeinde.

Die Antwort auf die Frage „Staubwedeln oder nicht?“, die aus der Inventarisierung kommt, gab der Kunsthistoriker am Schluss seines Vortrages: Nicht Staubwedeln wegen gesundheitlicher Gefährdungen (z.B. durch Ablagerung von ausgedünsteten Holzschutzmitteln oder Schimmel)! Nach einer vielseitigen Fragerunde und dem Beifall der Anwesenden blieb der Dank an den Referenten mit dem traditionellen guten Tropfen für seinen erkenntnis- reichen, eindrucksvollen Vortrag, der für einige auch die Überraschung bereit hielt, welche herausfordernden Aufgaben sich tatsächlich hinter der etwas bürokratisch anmutenden Bezeichnung „Gruppe Kunstpflege“ verbergen. MICHAELA HEUER