Zwei Künstlerinnen
Dieser Clubabend wurde von starken Frauen-Persönlichkeiten geprägt. Die Referentin Dr. Barbara Rommé ist seit dem 1. Oktober 1998 Direktorin des Stadtmuseums Münster. Unter ihrer Leitung wurde das Haus zu einem Stadtmuseum mit bundesweiter Strahlkraft wegen seines vielseitigen, attraktiven Angebots und seiner konzeptionellen Arbeit.
Im Mittelpunkt ihres Vortrages standen die Rechte von Künstlerinnen in und während der Weimarer Republik und die Lebensumstände der Zeit, dass Frauen einen Beruf, insbesondere eine künstlerische Tätigkeit, ausüben und damit ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Wie konnte man es in der Zeit schaffen, eine erfolgreiche Künstlerin zu sein? Die klare Antwort der Referentin: Es müssen besondere Persönlichkeiten sein. Barbara Rommé vermittelte in ihrem Vortrag eindrucksvoll, dass die Münsteraner Künstlerinnen Elisabet Ney und Hanne-Nte Kämmerer solche Persönlichkeiten in ihrer Zeit waren.
Die Einführung des Frauenwahlrechts war eine Frucht der Frauenbewegung des Deutschen Kaiserreichs, der jahrzehntelangen Emanzipationsarbeit im Kaiserreich. Viele Frauen engagierten sich in der Kaiserzeit, die Ernte konnte aber erst in der ersten deutschen Demokratie eingefahren werden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts konnten Frauen zunehmend höhere Bildungsabschlüsse erreichen und Berufe ergreifen, die zuvor ausschließlich Männern vorbehalten waren. Mit der neuen Frauenrolle kam ein neuer Typus von Frau auf, als Protagonisten eines von Frauen selbst gestalteten Lebens. Sie wollten einen Beruf und eine ebenbürtige Beziehung leben, ihre Hobbies waren Golf oder Tennis.
Diese „Neue Frau“ gab es zunächst im Großbürgertum und in Adelshäusern, weil nur dort die entsprechenden finanziellen Mittel vorhanden waren. Aber die weiblichen Angestellten eiferten Mitte der 1920-er Jahre nach. Durch die wirtschaftliche Entwicklung entstanden in den 1920-er Jahre neue Angestellten-Berufe, die Frauen Zugang zu Erwerbstätigkeiten eröffneten. Die „Neue Frau“ war berufstätig und trat zunehmend selbstbewusst in Erscheinung, was sich auch an Äußerlichkeiten zeigte, zum Beispiel dem Bubikopf oder der Zigarette mit Verlängerung.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, die ein althergebrachtes Frauenbild vertraten, gingen die erkämpften Errungenschaften verloren. Hanne-Nüte Kämmerer (1903-1981) war eine deutsche Textilkünstlerin. Im Anschluss an ihre Ausbildung machte sie sich für fünf Jahre mit einer Werkstatt für Nadelstickerei bei der Handwerkschaft Gildenhall am Ruppiner See selbständig. Die Stickereien sicherten ihr den Lebensunterhalt. Aber es war schwierig, die Weltwirtschaftskrise zu überdauern, weil es arbeitsintensive Einzelwerke und keine massenhafte Produktion war. 1929 wurde sie zum Glück an die Kunstgewerbeschule in Münster berufen, wo sie 1939 die Leitung der Textilklasse übernahm. Am Ende ihres Lebens war Hanne-Nüte Kämmerer Professorin an der Werkkunstschule Münster.
Unser Mitglied Marianne Schnitker kennt Hanne-Nüte Kämmerer persönlich von der Werkkunstschule. Hanne-Nüte Kämmerer war nicht nur als Lehrerin tätig, sondern auch als Unternehmerin. Sie gründete am 1. April 1935 die Werkstatt für Westfalenstoffe. Zu einem Klassiker wurde das bereits 1933 von ihr entworfene Hähnchenmuster. Nur als unverheiratete Frau konnte sie ihre Selbstständigkeit bewahren und ihrer geliebten Berufstätigkeit nachgehen. Deshalb ging sie den Weg der unverheirateten Frau mit hohem Risiko. 1929 drohte die Schließung der Werkkunstschule, und deshalb gründete sie mit zwei anderen Kunsthandwerkern 1933 ihr Unternehmen Westfalenstoffe und brachte es durch die Zeiten des Nationalsozialismus. In der zweiten deutschen Republik erhielt sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Die plastischen Spitzen von Hanne-Nüte Kämmerer sind Skulpturen von berührender Vielschichtigkeit und Eleganz und stellen eine beeindruckende Innovation in der Kunst der Spitze dar.
Elisabet Ney wurde 1833 in Münster geboren, sie starb 1907 in Austin/Texas. Sie war weltweit eine der ersten Bildhauerinnen, die von ihrem Schaffen leben konnte. Sie hatte ein großes Durchsetzungsvermögen und ignorierte fast alle Konventionen, die ihr als Frau aufgezwungen wurden. So schaffte sie es auch, 1862 als Studentin und erste Bildhauerin überhaupt in die Münchner Akademie der Künste aufgenommen zu werden. 1864 ging sie nach Berlin, um sich bei Christian Daniel Rauch, dem damals führenden Bildhauer im deutschsprachigen Raum, weiterzubilden. Seit 1868 lebte und arbeitete sie wieder in München und porträtierte König Ludwig II. von Bayern lebensgroß. Das Standbild steht in Schloss Herrenchiemsee. 1871 wanderte Elisabet Ney mit ihrem Mann in die USA aus. Sie war seit 1863 verheiratet, hielt ihre Hochzeit aber geheim, weil sie ihre Selbständigkeit behalten wollte. Ihr Mann hätte ansonsten ihr jeden Schritt erlauben müssen, was sie dazu gezwungen hätte, gemeinsam mit Montgomery zu reisen. Sie gründete in Austin eine Kunstakademie und ein eigenes Atelier. 1893 ließ sie in Austin dieses Ateliergebäude aus Stein errichten, in dem sich seit 1911 das ihr gewidmete Elisabet-Ney-Museum befindet.
Umfassende Bildung für alle Frauen war ihr Ansporn durch ihre Herkunft. Elisabet Ney stilisierte sich selbst als Marke: durch ihr Erscheinungsbild (seit ungefähr 1854 trug sie eine Kurzhaarfrisur), ihr „Fräulein-Image“ und ihren Künstlernamen seit 1856 (mit Elisabet ohne h). Alle wussten, dass diese auffällige Frau Künstlerin war, und so ließ es sich deutlich einfacher leben. Die anschließende intensive Fragerunde zeigte, welche Resonanz der exzellente Vortrag bei den Anwesenden gefunden hat. MICHAELA HEUER